Hoheiten des Dramas und des Leidens

SchweigEntsetzliches geschieht

Kennt Ihr so Menschen, bei denen alles zum Drama wird? Die zusätzlich immer noch einen drauflegen müssen? Ungeheuer anstrengend, oder?

Ich mein, so etwas merkt man ja nicht sofort. Jedenfalls dann, wenn die betreffende Person einem nur entfernt bekannt ist. Zu Beginn denkt man sich nichts dabei, „Armer Pechvogel„, schießt einem vielleicht durch den Kopf. Bis Du erstmals selber und höchstpersönlich, an den Dramen teilhaben darfst.

Zunächst erfolgen Bemerkungen über einen schweren Schaden bei ihm oder ihr. Als Besipiel dient mal eine real erlebte Gegebenheit:

Mit viel Armgefuchtel, dramatischem Gesichtsausdruck und leidvoller Stimme, wurde von der Katastrophe berichtet. Es gab einen schweren Brandschaden beim Kochen, der Löschversuch scheiterte und alles war ruiniert. Klingt hart, Mitleid steigt auf.

Es ist wohl etwas durch Feuer schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Der eigene Kopf füllt die Lücken in der Story, mit persönlichen Befürchtungen und Ängsten, so ergibt sich eben ein Bild.

Hakt man aber nun etwas nach, stellt sich heraus, dass der schweren Brand auf dem Holzkohlegrill stattfand und durch eine einzige kleine Flamme dargestellt wurde. On Top, das übertriebene Löschen mit Bier, welches die Glut vernichtet hat. Oh ja, das Bier war natürlich auch futsch! Beeindruckend! Nun gut, vielleicht war das für die Betreffenden wirklich schrecklich, kann ja durchaus sein. Glut am Grill und im Freien, kann für einige Leute, die Krone der Herausforderungen bedeuten. Nicht zu reden vom Bierverlust.

Richtig ungefiltert bekommt man die Ladung, wenn die gleiche Person erkrankt, sich aber trotz des bald zu erwartenden Endes noch in Deine Nähe quält, um von den schrecklichen Beschwerden zu berichten. Da gibt es das Ziehen im Zeh, den Druck im Ohrläppchen und obendrauf noch das Jucken in der Nase. Natürlich nicht einfach nur ein Jucken, nein, es ist DAS Jucken. Dieses finale, alles besiegelnde Jucken.

Jetzt ist Vorsicht angebracht! Da der Erzähler Dich offensichtlich als interessierten und empathischen Menschen kennengelernt hat, wird es bald keine Grenzen mehr geben! Nur eine oder zwei Sätze noch, und wir sind thematisch beim Mageninneren oder dem, was daraus hervorgebracht wird. Oder im Leidensfall eben nicht herauskommt, das ist dann sozusagen Stufe drei.

Egal um was es geht, Dramahoheiten kannst Du nicht erreichen. Stößt Du Dir den Kopf, präsentieren sie den eigenen Schädelbruch. Ist bei Dir Brot verschimmelt, erlitten sie, just gestern noch, die schwere Lebensmittelvergiftung. Immer!

Was kriegst Du aber zu hören, wenn Dir etwas unschönes geschieht? „Stell‘ Dich nicht so an!“

 

 

 

Beim Arzt: Im Zimmer der Geheimnisse

beim-arzt-pen-pflasterJetzt bist Du dran!

Ich sitze beim Arzt, warte darauf, dass mein Name genannt wird und eben irgendwann an die Reihe komme. Endlich kommt der ersehnte Augenblick, der Startschuss zur Heilung!

Die nette bis netteste Sprechstundenhilfe (das heißt jetzt anders, oder?), parkt mich im Sprechzimmer auf einem Stuhl mit den begleitenden Worten: „Frau Doktor kommt gleich!“ Nun, das ist auch meine Erwartung, wenn gleich der Fliesenleger reinkommt und eine Spritze in der Hand hält, hau ich nämlich ab.

Nutze die Gelegenheit…

Hier hocke ich nun voller Erwartung und in Demut, Kurzweil will nicht aufkommen. Bei akuten Schmerzen oder sonstigen Problemen, kommt ja schnell der Beweis, dass Zeit ein dehnbarer Begriff ist. Heute steht aber nichts Dramatisches an, es geht nur um eine Kontrolle und die Besprechung der letzten Blutwerte.

Allerdings ja, da ist schon noch was…

Ich weiß aber nicht, ob ich da so früh drüber reden will. Kann man ja nicht so einfach, am Ende stellt sich noch heraus, dass was behandelt werden muss. Schlimmstenfalls noch unter Schmerzen. Vielleicht brauche ich gar Medikamente? Wissen die hier eigentlich, dass ich jeden Monat Kohle in der Apotheke lasse, von der andere ein Auto finanzieren?

Ne, das ist ein Risiko, da warte ich erst mal ab, was vorher so läuft. Überhaupt wäre es aktuell besser, nur die Punkte bei mir zu erwähnen, die in Ordnung sind, das geht vermutlich schneller.

Ich sehe mich um. Es gibt einige Sachen, die bestimmt auch im Hobbykeller Beeindruckendes leisten könnten. Da, dieses Ding mit der Öse oder das Schlauchteil da vorne. Könnte man vielleicht benutzen, um etwas abzupumpen oder aufzublasen. Ob’s dazu geeignet ist? Keine Ahnung. Soll ich mir das mal ansehen? Zu riskant, es könnte ja jemand reinkommen und denken, ich mach hier ’ne Eigentransplantation, was macht denn das für einen Eindruck? Ich benehme mich lieber. Ja, das wird das Beste sein.

Der Blick analysiert weiter das Zimmer, ich erspähe meine Patientenakte auf dem Bildschirm! Die Gelegenheit muss ich nutzen. Jetzt komme ich hinter all die Informationen, die SIE tatsächlich über mich sammelt. Nicht das, was gefiltert dem Patienten mitgeteilt wird, jetzt kann ich sehen, wie es wirklich um mich steht. Tapferkeit ist angesagt. Wer sind schon CIA und BND? Jetzt kommt Michael 2.0, aber Hallo! Bisschen den Stuhl drehen, etwas besser positionieren, so wird es gehen.

Aber Stopp! Was ist, wenn da mein baldiges Ende geschrieben steht, welches sie mir gerade heute verkünden will? Immerhin geht es hier um die Daten von dem, was da durch meine Adern fließt! Wer weiß, wie viele Tragödien in so einem harmlos erscheinenden Moment schon begonnen haben? Ich fühle mich jetzt plötzlich auch gar nicht gut und war da nicht letztens dieses komische Zucken auf der Wange? Was ist auch mit dem Pickel vom Sommer, ist der gut verheilt? Irgendwie bemerke ich gerade eine leichte Reizung im Hals, kann nur der Corona-Virus sein. Sehen wir der Realität ins Auge: ich bin Erledigt!

Nix, das muss ich wissen und gucke just in dem Moment auf den Schirm, als der Bildschirmschoner anspringt. Die spinnen doch! Bildschirmschoner im Jahr 2020 und bei meinen Daten. Wie soll ich denn jetzt was sehen?

Nun, da liegen Maus und Tastatur… Ein kleiner Ruck, ein kleiner Druck und alles wäre in Millisekunden wieder sichtbar. Langsam und unauffällig, noch unentschlossen, nähert sich meine Hand der Maus.

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