Kaum ist man in der alten Heimat angekommen, stellt man fest, dass alles immer noch sehr vertraut und doch unbekannt ist.
Plötzlich fehlen Straßen, auf denen man jahrzehntelang fuhr, dafür sind plötzlich welche dort, wo eigentlich ein Acker hingehört
Ne, ernsthaft muss ich sagen, im Großen und Ganzen ist alles so, wie ich es auch kenne. Abzüglich der Zeiten, an denen ich wieder nach Hause fahre, bleiben etwas mehr als drei Monate, um alles wieder in Augenschein zu nehmen, so lange dauert mein Praktikum.
Das sollte wohl reichen, was anschließend kommt, bleibt abzuwarten
Gestern ging nicht mehr viel
Die Fahrt von Fürth nach Voerde hätte unter vier Stunden dauern sollen, knapp sechs sind es geworden.
Kurz vor Köln war die A3 plötzlich dicht, nix ging mehr. Mit etwas Trickserei haben wir dann noch eine Abfahrt erwischt und so waren wenigstens ein Klo und Kaffee an einer Tanke in Reichweite.
Blöd nur, wenn man sich dort nicht auskennt, nach Navi fährt und die so schlau ist, einen wieder auf eben diese Autobahn zu lotsen, aber immerhin ging es ab dort wenigstens im Schneckentempo weiter.
Um das Ganze würde abzurunden, dann gleich die nächste Verstopfung am Kreuz Kaiserberg, es hat einfach gereicht
Was soll ich sagen, außer dem kleinen Imbiss vom Foto war gestern einfach nichts mehr drin. Essen, waschen, Bett!
Heute stand erst mal auf dem Programm zu schauen, wie das hier läuft, falls ich mit meinem Datenvolumen nicht auskomme, so richtig schlau bin ich aber noch nicht. Montag beginnt dann ohnehin das Praktikum, der Rest, der wird sich zeigen.
Da ich hier in meiner Umschulung nicht nur mit oder an einem einzigen Computer und USB-Stick unterwegs bin, hat sich eine gewisse digitale Schlamperei entwickelt.
Hier ein Screenshot, dort ein Dokument oder eine Präsentation, da häuft sich doch einiges an.
Zusätzlich kommt dann noch das analoge Material der Bücher und Aufzeichnungen hinzu, was bei dem bisherigen Wechsel aus Präsenz und Onlineunterricht gewisse Mühen und auch Komplikationen mit sich bringt. Ich muss zugeben, nachdem ich ihn lange Zeit nicht benutzt habe, ist der Flachbett-Scanner wieder eines meiner wichtigsten Werkzeuge.
Was macht also der Freak?
Er nimmt sich seinen Raspberry Pi, packt einen Webserver drauf und stellt ihn, im Handy-Stativ befestigt, ins Internatszimmer.
Kleiner Bonus: Das Ding läuft im Notfall auch mit meiner Powerbank, solange irgendein WLAN verfügbar ist, habe ich somit alles dabei oder zumindest Zugriff auf meinen Kram
Darauf warten, dass der PC mit irgendeiner Aufgabe fertig wird? Es lohnt sich nicht, in dieser Zeit etwas anderes zu erledigen, man sitzt aber auch zu lange dumm rum, um nicht doch auf unsinnige oder kreative Ideen zu kommen?
Ist Euch bekannt, so eine Situation, oder?
Na, wie auch immer, mein Wächter der Daten hier, der ist ein Erzeugnis einer solchen Situation. OK, das Fotogerät muss auch noch in der Nähe liegen.
Vielleicht ist das auch eher eine Frage des Geburtsjahres, aber für mich ist das Leben mit mobilen Geräten, eher Computern zum Mitnehmen, noch lange nicht selbstverständlich.
Klar, mittlerweile sind Smartphones und ähnliche Dinge keine Exoten mehr, man denkt über die Nutzung wenig nach.
Wenn man nicht gerade zu den Genossen gehört, die vor Aufregung kaum noch atmen können, weil ein Hersteller etwas Neues in den Verkauf bringt, halten sich die Stunden, in denen man über diese Technik nachdenkt, eher in Grenzen. Es sei denn, man kommt um eine Neuanschaffung nicht herum. Sei es der Akku, dessen Lebensende erreicht ist oder das Display präsentiert den neuesten Spinnenweb-Look, irgendwann braucht man ein neues Handy.
Das Abenteuer beginnt schon bei der Auswahl. Sofern man keine klare Vorstellung hat, welches Modell denn nun das Rennen gewinnt, tobt der Kampf zwischen diversem Pflückobst oder kleinen Robotern. Irgendwo hat ein Staatschef etwas verboten, andere bremsen die Leistung älterer Geräte – irgendwas ist ja immer.
Es ist da
Jedenfalls ist die Entscheidung getroffen und das neue Teil wird von einer DHL-Dame höchstpersönlich überreicht.
Danke, bitte, gerne, grins und tschüss – ich halte es in Händen, das neue Miniaturdatenuniversalgerät. War es vor einigen Jahren noch ein hochgeheimer Sicherheitsakt so ein Telefon über den Versandweg zu bekommen, unterscheidet sich die Lieferung heutzutage nicht mehr von der einer Hose. Ich kann mich noch an komplizierte Personalausweisprüfungen mit sichten und unterschreiben und DIN-A4-Papierorgien erinnern, dann doch lieber so.
OK, auspacken, begutachten, Folien entfernen und, als erste Handlung: Einschalten. Man will ja wissen, ob überhaupt eine Funktion vorhanden ist.
Spontan fällt mir ein, dass es vielleicht doch sinnvoll wäre, auch gleich die SIM-Karte einzulegen, sonst gibt es bestimmt wieder Gemecker vom System. Just in diesem Moment erinnere ich mich, dass es da noch das Problem mit der Passform gibt oder geben könnte. Seinerzeit habe ich die Nanokarte aus der größeren Version herausgeschnippelt, hoffentlich klappt das Teil auch weiterhin.
Das neue Gerät startet durch, meckert über die fehlende SIM und bekommt dafür Zugang zum WLAN von mir, so als Ausgleich und Bestechung, man soll neue Dinge ja nicht gleich am ersten Tag verärgern. Also Passwort eingetippt und viel mehr, kann ich ja in diesem Augenblick auch noch nicht machen.
Wahrscheinlich ist jetzt die passende Gelegenheit, die ganze Steck- und Stöpseltechnik aus dem Altgerät zu fummeln.
Stellt sich noch die Frage, wie das alles da vor Jahren reingekommen ist. Was soll aber schon schwer daran sein? Einfach an der Abdeckung ziehen und – Hoppla! Das ist keine Kappe! Stimmt, da steckt eine Schublade drin, auf der die SIM-Karte liegt. Nun, ich sollte besser sagen, auf der die Karte lag, jetzt ist sie nämlich weg.
Wo isse hin?
Tisch, Couch, Fußboden – nichts zu sehen. Also runter auf die Knie und suchen. Ungemein praktisch wäre jetzt ein Handy mit Licht! Ha, ich habe gerade sogar zwei hier liegen. Das eine nur blöderweise ausgeschaltet und zerlegt, das andere lässt außer Eingaben zu Ersteinrichtung, nichts mit sich anstellen. Also wieder hoch, Taschenlampe holen und ab, unter die Couch. Fitness durch Mobilgeräte, Level 2.
Die Karte sehen und auch erreichen, sind dann mal zwei verschiedene Dinge, außerdem ist das Kärtchen, na, nun nicht besonders groß und der Spalt unter der Couch eher schmal. Immerhin, mit Sofa rücken, heben und zerren, halte ich sie wieder in der Hand, die olle Ausreißerkarte. Wenn das neue Phone jetzt schon mit der Einrichtung fertig wäre, könnte ich sie sogar einsetzen.
Ich sitze beim Arzt, warte darauf, dass mein Name genannt wird und eben irgendwann an die Reihe komme. Endlich kommt der ersehnte Augenblick, der Startschuss zur Heilung!
Die nette bis netteste Sprechstundenhilfe (das heißt jetzt anders, oder?), parkt mich im Sprechzimmer auf einem Stuhl mit den begleitenden Worten: „Frau Doktor kommt gleich!“ Nun, das ist auch meine Erwartung, wenn gleich der Fliesenleger reinkommt und eine Spritze in der Hand hält, hau ich nämlich ab.
Nutze die Gelegenheit…
Hier hocke ich nun voller Erwartung und in Demut, Kurzweil will nicht aufkommen. Bei akuten Schmerzen oder sonstigen Problemen, kommt ja schnell der Beweis, dass Zeit ein dehnbarer Begriff ist. Heute steht aber nichts Dramatisches an, es geht nur um eine Kontrolle und die Besprechung der letzten Blutwerte.
Allerdings ja, da ist schon noch was…
Ich weiß aber nicht, ob ich da so früh drüber reden will. Kann man ja nicht so einfach, am Ende stellt sich noch heraus, dass was behandelt werden muss. Schlimmstenfalls noch unter Schmerzen. Vielleicht brauche ich gar Medikamente? Wissen die hier eigentlich, dass ich jeden Monat Kohle in der Apotheke lasse, von der andere ein Auto finanzieren?
Ne, das ist ein Risiko, da warte ich erst mal ab, was vorher so läuft. Überhaupt wäre es aktuell besser, nur die Punkte bei mir zu erwähnen, die in Ordnung sind, das geht vermutlich schneller.
Ich sehe mich um. Es gibt einige Sachen, die bestimmt auch im Hobbykeller Beeindruckendes leisten könnten. Da, dieses Ding mit der Öse oder das Schlauchteil da vorne. Könnte man vielleicht benutzen, um etwas abzupumpen oder aufzublasen. Ob’s dazu geeignet ist? Keine Ahnung. Soll ich mir das mal ansehen? Zu riskant, es könnte ja jemand reinkommen und denken, ich mach hier ’ne Eigentransplantation, was macht denn das für einen Eindruck? Ich benehme mich lieber. Ja, das wird das Beste sein.
Der Blick analysiert weiter das Zimmer, ich erspähe meine Patientenakte auf dem Bildschirm! Die Gelegenheit muss ich nutzen. Jetzt komme ich hinter all die Informationen, die SIE tatsächlich über mich sammelt. Nicht das, was gefiltert dem Patienten mitgeteilt wird, jetzt kann ich sehen, wie es wirklich um mich steht. Tapferkeit ist angesagt. Wer sind schon CIA und BND? Jetzt kommt Michael 2.0, aber Hallo! Bisschen den Stuhl drehen, etwas besser positionieren, so wird es gehen.
Aber Stopp! Was ist, wenn da mein baldiges Ende geschrieben steht, welches sie mir gerade heute verkünden will? Immerhin geht es hier um die Daten von dem, was da durch meine Adern fließt! Wer weiß, wie viele Tragödien in so einem harmlos erscheinenden Moment schon begonnen haben? Ich fühle mich jetzt plötzlich auch gar nicht gut und war da nicht letztens dieses komische Zucken auf der Wange? Was ist auch mit dem Pickel vom Sommer, ist der gut verheilt? Irgendwie bemerke ich gerade eine leichte Reizung im Hals, kann nur der Corona-Virus sein. Sehen wir der Realität ins Auge: ich bin Erledigt!
Nix, das muss ich wissen und gucke just in dem Moment auf den Schirm, als der Bildschirmschoner anspringt. Die spinnen doch! Bildschirmschoner im Jahr 2020 und bei meinen Daten. Wie soll ich denn jetzt was sehen?
Nun, da liegen Maus und Tastatur… Ein kleiner Ruck, ein kleiner Druck und alles wäre in Millisekunden wieder sichtbar. Langsam und unauffällig, noch unentschlossen, nähert sich meine Hand der Maus.