Es soll wohl einfach, nicht so einfach sein
Tja, nach dem eigentlichen Notfallbesuch und dem folgenden Anruf, ist es nun der Tag des CT. Der Untersuchung die offenbart, ob da nun was geschnitten und repariert werden muss.
Der Weg ist das Ziel
10 Uhr am 17.7., Freitag, vielleicht die Stunde der Wahrheit. Wir sind reichlich früh dran, es ist eben schlecht zu kalkulieren, wie viel Zeit Sandra auf Ihren Krücken so für die Wege benötigt. Obwohl ich Sorge um unsere finanziellen Rücklagen habe, entschließe ich mich, wieder auf dem Kurzzeitparkplatz zu parken. 1,50 € für die halbe Stunde – da geht es hin, das Familienerbe. Wie aber, soll meine werte Frau denn sonst von A nach B kommen? Immerhin kann ich den Wagen ja später vielleicht wieder umsetzen, unter Umständen geht es ja auch schnell.
Wir humpeln, also SIE humpelt, ich schleiche nebendran, nun zur Anmeldung des Krankenhauses. Heute keine Schlange, nichts. Am Schalter sitzt dieses Mal ein Herr. Frau gibt ihm den Papierkram von der Hausärztin, er schaut kurz drauf, schüttelt den Kopf und meint nur „Ne!„. Ich schau, Frau schaut, er schaut. „Da müssen Sie da um die Ecke, in die Radiologie. Hat man Ihnen das nicht gesagt?„, fragt er mit dem Unterton der Überzeugung von Menschen, denen das schon 1000x passiert ist. Ich schüttle, den Kopf. Ich habe allerdings auch keinen Nerv auf lange Diskussionen ohne Sinn, weswegen ich darauf verzichte ihm zu sagen, dass der Doktor der Ambulanz nach Rückfrage, ausdrücklich „hier bei uns im Hause“ bestätigt hat. Mit etwas Verständnis in der Stimme sagt der Pfortenmensch nur noch: „Sind ja nur ein paar Schritte“, „Ja, für Sie!“; entgegne ich.
Sandra und ich ziehen also los. Raus aus dem Gebäude, über den Vorplatz und an einem anderen Gebäude vorbei. Immer wieder Päuschen machen, die Schulter meiner Frau sind echt am Limit, die Krücken sind schon eine Last, bis man sich dran gewöhnt hat. Wir kommen um eine weitere Gebäudeecke und ich staune nicht schlecht – Baustelle! Die letzten 20 oder 30 Meter, geht es über eine notdürftig angelegte Schotter- und Rollsplittstrecke. Ausgerechnet! In meinem Kopf setzt sich schon ein Kopfkino aus rutschenden Krücken und strauchelnden Vakuumschuhen zusammen. Was für eine Scheiße! Vor allem schon deshalb, weil ziemlich ersichtlich ist, dass es eine Verbindung zwischen dem Klinikgebäude und dieser Einrichtung hier gibt, optisch jedenfalls. Egal, ich hinterfrage das jetzt nicht, wir müssen da nun hinein. Schritt für Schritt also Krücke aufsetzen, Frau sicherheitshalber abstützen und dem Ziel nähern. Zum Glück hat sie den Bogen schnell raus, wir kommen an. Es ist jetzt 9:40, wir haben noch reichlich Zeit.
Jetzt folgt Routine. Papier abgeben, Infos erhalten, im Wartebereich Platz nehmen – Im Gegensatz zu dem, was bisher auf diesem Gelände zu erleben war, wirkt alles sehr professionell. Ich muss allerdings wieder raus, kann nicht dabei bleiben. Wirklich wundern tut’s mich nicht, mehr will ich gar nicht dazu sagen.
Geduld ist Zeit abgammeln
Was nun? Es ist kurz vor 10 Uhr, was auf uns zukommt, ist ungewiss. Gegenüber ist ein Café oder Bistro oder so, jedenfalls irgendwas, wo es Kaffee gibt. Draußen sitzen geht ebenfalls, was will man mehr?
10 Minuten später sitze ich, mit Blick auf die Radiologie, hier vor und mit meinem Kaffee, sehe ich eine mir sehr bekannte Frau auf ihren Krücken in meine Richtung humpeln. Von der Anmeldung zum CT bis jetzt, sind höchstens 30 Minuten vergangen, eher weniger. Sie kommt zu mir an den Tisch, holt zunächst Luft und meldet: „Fertig, jetzt wieder in die Ambulanz.“ Wow, das ging ja mal schnell, das gibt Hoffnung. Jetzt gibt es vielleicht zeitnah Antworten.
Sandra starte also in dem ihr möglichen Maximaltempo los, in Richtung Anmeldung zur Ambulanz. Ich sitze hier, sie geht dort, was wird wohl nun noch kommen? Immerhin ist von Operation bis schlichte Selbstheilung, noch alles im Bereich des Möglichen.
Irgendwann ist auch der größte Kaffee leer, ich setze mich auf eine Bank in Eingangsnähe. Gegen 11 kommt meine Frau wieder raus. Um 12:30 Uhr sollen wir wiederkommen, der Bericht vom CT ist erst dann in der Ambulanz. OK, immerhin ist das ja im Nachbargebäude, da muss man ja geduldig sein, bei solchen Strecken. Ich überlege kurz, hier und da zu fragen, ob noch jeder alle Tassen im Schrank hat, aber man kommt ja an niemanden heran. Jetzt hinter den Coronaschranken erst recht nicht.
Wir schleichen zum Auto, vorerst raus aus der Luxusparkzone. Drölfzigeurofünfzig später, fahren wir mal hier, mal dort hin, viel mit laufen ist ja nicht. Nach Hause wäre auch unsinnig, gut 30 Minuten sind das auch pro Tour.
Wir sind wieder im Krankenhaus. Ich habe meine Frau nur abgesetzt und mir einen Standplatz auf einem günstigeren Parkplatz gesucht. Im Auto warten geht aber auch nicht. Die Sonne ballert aufs Dach, ich werde langsam gar und irgendwann muss auch ein Klo her, scheiß Kaffee. Jetzt geht es eigentlich nur noch per Telegram hin und her. Frau schreibt, dass die Ergebnisse immer noch nicht vorliegen, es ist mittlerweile fast 13 Uhr. Ich laufe in der Gegend herum. Irgendwann nach 13 Uhr kommt die Meldung, dass die Ambulanz sich jetzt extra den Bericht faxen lässt, weil er immer noch nicht da ist. Jetzt höre ich vorerst nichts mehr. Nicht telefonisch, nicht per Messenger, wahrscheinlich tut sich was und meine werte Gattin, ist mit den Ärzten beschäftigt.
Um 13:45 herum nur kurz die Textmeldung von ihr, dass der Assistent sich alles erneut angesehen hat, der Oberarzt soll entscheiden. Der ist allerdings, Trommelwirbel, wo? Richtig! Unabkömmlich im OP, wir sollen warten. Ich glaube, jetzt mit einem dreistelligen Blutdruck versehen zu sein!
Wieder Funkstille. Ich schreibe ihr: „Status?„, sie schreibt: „unverändert…„, so geht es hin und her, immer wieder.
14 Uhr 15 nur kurz die Zeile: „Ich komme raus, gleich mehr!“ Tja, wir sind genauso schlau, wie vor 8 Tagen. Der Oberarzt ist nicht zu erreichen, wir sollen nach Hause fahren und auf einen Anruf warten. Sandra tobt, ich kann’s nicht fassen und wir stehen ziemlich machtlos und den Gegebenheiten ausgesetzt, ungläubig schauend vor der Tür! So sieht’s aus
Ich sprinte zum Auto, der Zorn beschleunigt die Schritte. Wieder zahlen, wenn auch weniger, so doch noch genug. Als Tüpfelchen auf dem „i“ kommt jetzt noch hinzu, dass man wohl vom Langzeit-, nicht auf den Kurzzeitparkplatz wechseln kann, die Schranke bleibt schlicht und ergreifend geschlossen.
Man sieht die eigene Ehefrau, weiß sie kann nicht laufen, durch die Anstrengungen hat sie überall Schmerzen. Sie sieht, dass man in ihrer Richtung nicht weiterkommt und humpelt los, aufs Auto zu. Das ist allerdings eine für sie echt nennenswerte Distanz! Was nun? Wegfahren? Ich kann mich nur wieder von ihr entfernen, wo soll sie hin, wo soll ich hin? Stehen bleiben? Geht eigentlich auch nicht, nach vorne ist ja kein Weiterkommen, zurück ist alles andere als harmlos. Von der Gefahr, dass die Frau jetzt vor Wut und Zorn noch stolpert und erneut fällt, mal gar nicht zu reden. Tja, da müssen sich eben alle hinter einem Stehenden gedulden, bis sie da ist. Fuck you! Zum Glück sind die Nachfolgenden schlau genug, an mir vorbeizukommen, vielleicht kennen sie die Falle auch schon. Sandra schafft es wirklich bis zum Auto. Das dürfte ein neuer Rekord auf Krücken gewesen sein. Schweißnass und völlig am Ende, fällt sie praktisch auf den Sitz. Jetzt noch ein waghalsig irrsinniges Wendemanöver, mir ist das nun echt scheißegal, und wir sind auf dem Rückweg, ich will hier nur noch weg!
Daheim
Wir sind also wieder Zuhause. Es ist irgendwas um 15 Uhr herum, das Telefon ist in Griffweite und die Anspannung im Raum, kann man fast anfassen. Klingelt’s bald, klingelt’s nicht? Es wird 16 Uhr, vielleicht auch später, ich weiß es nicht mehr sicher. Sandra reicht es, sie ruft selber in der Klinik an. Immerhin ist das jetzt schon das zweite Wochenende, in dem das Damoklesschwert einer OP über ihr schwebt. Endloses tuten der Leitung, bis sich endlich jemand meldet. Es soll weiter verbunden werden und, wen wundert es noch, die Verbindung bricht ab. Also zurück zum Start, alles von vorne.
Siehe da, als Notlösung bekommt sie die Durchwahl zur Ambulanz, wo nach reichlich Zeit auch jemand abhebt. Letztendliche Aussage: „Tut mir leid, aber es ist Freitag, der Herr Doktor ist schon gegangen. Vielleicht auch beim Sekretariat versuchen? Ach nein, da ist jetzt keiner mehr„…
Wir sitzen hier, mit reichlich Frust und dickem Hals. Alle haben Feierabend, nur der kaputte Fuß, der ist noch da! Ja, und die Angst natürlich, dass noch etwas Übles folgt.
Da inzwischen zumindest keine größeren Auffälligkeiten zu bemerken sind, beschließen wir uns am Montag zu orientieren, was für Alternativen offenstehen.
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