Weil sie es nicht versteht
Eine kleine Wolke flog seit vielen Jahren immer wieder mal über Deutschland, je nachdem, wie der Wind wehte.
Sie machte dies sehr oft und sah in diesem Land schon viele schlimme, aber auch gute Dinge.
Es gab Jahre, in denen sie lieber auf Wind aus einer anderen Richtung wartete, damit sie nicht herunterschauen musste. Manchmal jedoch, da blieb ihr auch während dieser Zeiten keine wirkliche Alternative, sie musste diesen Weg wählen. Eine Zeit lang, sah sie nur überall Schutt, Asche, Feuer und Elend.
Kurz danach aber flog die Wolke wieder gerne über Deutschland. Alles wurde aufgebaut, die Farben in den Städten und Straßen kamen zurück und lächelnde, freie Menschen waren zu sehen.
Veränderung
Auf einer weiteren Reise vor einigen Tagen kam in Berlin unerwartet Windstille auf, die Wolke hing fest.
Nichts bewegte sich mehr und das ausgerechnet genau über dem Regierungssitz. Unglücklicherweise gehörte sie dieses Mal zu den sehr tief liegenden Vertretern ihrer Art, sodass sie Politiker reden hören konnte. Sie vernahm Worte, die doch so gar nicht zu dem passten, was sie selber gesehen hatte und was der Vernunft entsprechen würde.
Seit dieser Zeit verstand die Wolke sehr viele Dinge nicht mehr. Sie fasste sich also ein Herz und sprach bei der nächsten Gelegenheit einen der Politiker an, die sie in Berlin schon eine Weile beobachtete.
Live und exklusiv kann ich hier im „Desasterkreis“ den Inhalt des Gespräches wiedergeben, die Wolke musste einfach mit jemandem darüber sprechen, der gelegentlich die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und Richtung Himmel schaut, wie ich es auch in der Vergangenheit öfter tat.
Das Gespräch
Wolke:
„Du, Politiker, darf ich Dich mal etwas fragen?“
Politiker:
„Hm, ich weiß nicht. So ohne Pressestelle ist das immer etwas blöde für mich!“
Wolke:
„Ach komm, Du musst ja nicht antworten, wenn Du etwas nicht weiß!“
Die Wolke befürchtete nun, dass sie gar keine Antwort bekommen würde.
Politiker:
„Na gut, ich denke auch, niemand wird jemals eine Wolke nach ihrer Meinung fragen. Im Zweifel behaupte ich einfach, das habe ich SO nie gesagt oder gemeint.“
Wolke:
„Ja, anders kenne ich es auch nicht, mir genügt das. Immerhin, vielen Ihrer Wähler bleibt ja auch nichts anderes über. Den anderen übrigens auch nicht …“
Politiker (kichernd):
„Ja, weiß ich! Na los, frag schon!“
Wolke:
„Da war jetzt was mit dem 9-Euro-Ticket. So wie es aussieht, war das eine gute Idee. Vielleicht sollte etwas Vergleichbares Standard werden. Aber einer ihrer Politikerkollegen will da nichts von hören. Er redete irgendwie von ‚Gratismentalität‘. Das ist doch aber Unsinn, die Steuern kommen ja vom Volk.Also keine Spur von gratis“
Politiker:
„Die Steuergelder werden an anderer Stelle benötigt.“
Wolke:
„Wo zum Beispiel?“
Politiker:
„Förderung der E-Autos, damit die Umwelt geschont wird.“
Wolke:
„Wäre nicht gerade bei so einem Ziel ein Ticket, das für alle bezahlbar ist, nicht noch besser?“
Politiker (kichernd):
„Nein, das wären zu viele in der Wirtschaft außen vor. Die Bigplayer sollen ja mitverdienen, immerhin müssen auch wir Politiker nach der Amtszeit weiterkommen, nicht? Außerdem wäre das ja Gratismentalität.“
Wolke:
„Mir fehlen die Worte „
Politiker:
„Mir nie. Im Notfall kann man ja immer noch Durchalteparolen und Phrasen dreschen. Wer daran zweifelt, ist halt undemokratisch.“
Wolke:
„Die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, das ist doch jetzt langsam echt kritisch. Hilfen gibt es immer nur für ein paar Wochen, keinerlei wirkliche Sicherheit. Senkung der Mehrwertsteuer bei Corona, 9-Euro-Ticket, Energiepauschalen, die nicht bei jedem ankommen. Wie soll das denn helfen, wenn nach spätestens ein paar Monaten der Bürger wieder vor dem gleichen Problem steht?“
Politiker:
„Nun ja, dann haben die meisten den Schock überwunden, sich abgefunden und zahlen. Klappt schon seit Jahren, und Wolke, Du weißt ja: Im Notfall kann man ja immer noch Durchalteparolen und Phrasen dreschen. Wer daran zweifelt, ist halt undemokratisch.„
Wolke:
„Was ist mit dem Bürgergeld? Das, was da jetzt an Zusagen existiert, hat doch mit der ursprüngleichen Idee nichts mehr zu tun!“
Politiker:
„Klingt aber besser als Hartz 4 und wird auf jeden Fall wieder ein prima Druckmittel für den Großteil der Arbeitnehmer. Die, die schon in den Leistungen drinhängen, die jucken uns doch eh nicht. So eine revolutionäre Umstellung des Sozialsystems ohne etwas wirklich zu ändern, das muss man uns erst mal nachmachen, gell?“
Der Wind hatte aber schließlich Mitleid mit der Wolke und wehte sie weiter. Sie hätte diesen Dialog noch endlos weiterführen können, aber die Antworten, die wären sicherlich immer die gleichen gewesen.
So beschloss die Wolke an jenem denkwürdigen Tag, fortan nur noch in einer geschlossenen Wolkendecke zu reisen, damit sie in Gesellschaft ist. Eine Wolke alleine, kann das alles nicht mehr verkraften.
Eines ist der Wolke aber klar: Bei dem ganzen Unfug, der da verzapft wird, ist die Realität längst vergessen …
Und immer daran denken: Humor ist, wenn man trotzdem lacht