Die Linse ist drin!

Die Abdeckung zum Schutz des Auges nach der OP. Das sie transparent ist, habe ich erst am nächsten Tag bemerkt. Zuvor war alles mit Verbandmaterial gefüllt. Die Befestigung erfolgt schnell und einfach mit Pflasterstreifen.
Die Diagnose ist längst gestellt, der Operationsstress vorbei, ich bin endlich wieder Zuhause.
Natürlich ist da eine ziemliche Erschöpfung zu spüren, nicht nur von der Ruhigstellung während des Eingriffes. Die Nachtruhe war eher dürftig, ich habe vor dem Termin nur oberflächlich und eher zu wenig geschlafen.
Für den heutigen Rest vom Donnerstag, dem OP-Tag, steht nur ausruhen auf dem Plan.
Lediglich der Kontrollanruf aus dem Augenzentrum ist gegen Abend noch Teil des Pflichtprogramms. Bis zum morgigen Kontrolltermin, habe ich so weit mit dem frisch behandelten Auge keine Interaktionspflicht, einfach möglichst die Augen geschlossen halten und nichts Anstrengendes unternehmen.
Ich trinke endlich in Ruhe eine heimische Tasse Kaffee, dann eine Kleinigkeit essen und ab auf das Sofa. Fernsehen oder lesen sind zwar nicht verboten, mit nur einem Auge und einer merklichen Erschöpfung, kommt aber bei mir im Moment kein Verlangen nach solcher Zerstreuung auf.
Ich versuche ein bisschen zu schlafen, irgendwie klappt’s dummerweise nicht so recht. Es tritt eher eine Art Dämmerzustand ein. Immer wieder verspüre ich den Drang, die Augen zu öffnen.
Das Spielchen zieht sich bestimmt eine Stunde lang hin, bis ich im verbundenen Auge ein leichtes Fremdkörpergefühl verspüre, vergleichbar mit einer Wimper, die sich verirrt hat. Kein Schmerz, nur eine sehr penetranter und nerviger Reiz.
Das Auge ist mit der Schutzabdeckung versehen, da bleibt wohl nur aushalten. Der Drang sich die Augen zu reiben, ist jedoch gigantisch, man bleibt aber eisern. Unter dem Verband fängt es auch noch an zu jucken, eben all das, was man zumindest meint zu empfinden, wenn keine Handlungsmöglichkeit besteht.
Irgendeine Form von Ablenkung muss her, sonst dreh ich durch 
Also doch mal den TV anschalten und testen, inwieweit da mit einem (vor der 2. OP ebenfalls eingeschränkten) Auge etwas Filmvergnügen aufkommen kann.
Es geht mehr schlecht als recht, immerhin eine Form der Beschäftigung. Leider wird nach einiger Zeit das Piksen im verbundenen Auge deutlicher, jetzt ist es schon eine eher schmerzende Angelegenheit. Was sagte die Dame in der Augenklinik noch gleich? „Am besten beide Augen geschlossen lassen, dann sind auch die Beschwerden beim Operierten erträglicher!“
Was soll ich sagen? Sie hat recht. Sind beide Augen zu, sticht nach ein paar Sekunden nichts mehr.
So vergehen über Mittag einige Stunden, bis ich wirklich kurz eingeschlafen bin. Allerdings schrecke ich nach einiger Zeit hoch, irgendwie fühlt sich im Gesicht etwas feucht an. Es tränt unter der Augenabdeckung, etwas läuft sogar unten heraus.
Das darin befindliche Verbandsmaterial ist regelrecht nass an der Unterseite, ob das so richtig ist? Andererseits schmerzt nichts, ich fühle mich relativ normal. Aus Reflex zwinkere ich einige Male, es fließt ein regelrechter Tränenstrom ab, dann ist schlagartig wieder Ruhe. Was im Moment bleibt, ist der gefühlt klatschnasse Deckel auf dem Auge. Recht ekelhaft.
Immer wieder mal etwas Fernsehen, dann wieder Augen schließen, ganz kurz E-Mails checken (vergiss es…), so vergeht der Rest des Tages. Relativ früh geht es ab ins Bett, morgen steht ja auch der Kontrolltermin an. Beim Einschlafen kommt noch ein weiterer Schwall Tränenflüssigkeit, mit der Abdeckung auf dem Auge muss man sich auch zunächst arrangieren, dann setzt endlich der Schlaf ein. Des Öfteren schrecke ich hoch, weil ich denke, der Augenschutz ist verrutscht – alles nur falscher Alarm.
Wie bei mir üblich, endet die Nacht deutlich vor dem Weckerklingeln, als erste Handlung wird die Verpackung und das Befinden des Auges geprüft. OK, alles wie es sein soll. Ab in die Küche, Kaffeemaschine starten und überlegen, wie wenigstens eine rudimentäre Morgenhygiene aussehen kann. Duschen und Haare waschen sind im Moment ein absolutes No-Go! Was soll ich sagen, mit feuchtem Waschlappen und viel Vorsicht, funktioniert es zumindest oberflächlich. Sogar der nette Pfeil auf der Stirn ist weitestgehend verschwunden.
Die Frau ist auch schon fit, also rein in die Klamotten und los, ich will wissen, ob alles OK ist. Beim Überstreifen des Pullovers bleibe ich irgendwie am Verband hängen und hebe versehentlich die Augenkappe an. Nur ganz kurz, ganz schnell.
Oho! Für einen wirklich kleinen Moment, habe ich mit dem rechten Auge gesehen! Hell und sehr farbintensiv! Ups, Deckel mal schnell wieder drauf
Wir sind beim Augenarzt angekommen, die Spannung steigt.
Wie üblich warte ich nur kurz bis zum Aufruf. Die nette Mitarbeiterin nimmt mir lächelnd den Verband ab, putzt und poliert das Gebiet um mein Auge und wartet wohl darauf, dass ich eben dieses öffne. „Einfach so öffnen, jetzt? Damit gucken?“, frage ich.
Sie meint nur: „Na, anders wird es schlecht mit der Untersuchung“ und gut, zum ersten Mal schaue ich voll bewusst und sozusagen mit offizieller Genehmigung durch das restaurierte Auge.
Ich sehe alles super hell, extrem farbenfroh, scharf und… doppelt
Auf meinen panischen Bericht hin höre ich die nur wenig beruhigenden Worte, dass so etwas öfter vorkommt, das verschwindet. Na, was soll ich machen, folgen wir also den Anweisungen.
Es erfolgt eine Messung des Augendruckes und ein Sehtest, welcher nach den Daten wohl positiv verläuft. Ich meine allerdings, in der Nähe unscharf zu sehen und zusätzlich stört dieses bescheuerte Doppelbild eben.
Bei der Ärztin selber erfahre ich nur Gutes, die Linse sitzt, wie es sich gehört und das Doppelsehen wird sich in einigen Tagen verflüchtigt haben, da geht sie stark von aus. Ebenso sollte sich die Sicht jetzt täglich bessern.
Es gibt Fälle, in denen sofort alles fast perfekt ist, die Regel muss es aber nicht sein. OK, das muss ich ja dann wohl akzeptieren. Ab sofort werden mehrmals täglich weiterhin Augentropfen zur Heilungsunterstützung verordnet, an den ersten fünf Tagen muss auch beim Schlafen der Schutz wieder auf das Auge.
In einer Woche sehe ich das Augenzentrum dann wieder, die nächste Kontrolle auf dem Plan. Vorerst kein Duschen und Co, zumindest muss sichergestellt sein, dass rein gar nichts in das Auge gelangen kann. Klar, leuchtet mir ein.
Wieder Zuhause. Die Sicht an sich ist klasse, jedenfalls im Vergleich zu dem Bild, was sich mir noch vor 36 Stunden geboten hat.
Zwar lässt sich die Irritation durch die doppelte Sicht nicht ausblenden, ich kann aber zumindest wieder über eine kurze Zeitspanne etwas erkennen, dann wird’s zu anstrengend, es führt auch zu Kopfschmerzen.
So vergeht der Freitag, ebenso der Samstag. Immer wieder mal tränt es, sehr selten sticht es auch, man gewöhnt sich gezwungenermaßen an die Situation.
Sonntag Nachmittag, ich habe ein kleines Nickerchen hinter mir und will jetzt endlich mal nach den E-Mails sehen, da ist schon einiges zusammengekommen.
Es besteht einfach das Bedürfnis, etwas ganz normal Alltägliches zu erledigen. Ich lese hier und lese da, bis mir klar wird, dass ich praktisch die ganze Zeit, das rechte Auge benutze.
Total problemlos, wow!
Nichts doppelt, alles klar und vor allem scharf. Was eine Erleichterung, ich kann es wirklich nicht in Worte fassen, eine unglaubliche Entlastung.
Leider hält die Freude nicht ununterbrochen an, nach der nächsten Einheit Augentropfen und dem damit verbundenen Geschlossenhalten der Augen, sind sowohl das Doppelsehen als auch die Unschärfe zunächst wieder da.
Trotzdem bin ich optimistisch, da ich ja jetzt weiß, dass es grundsätzlich schon funktioniert. Was sich nun auch immer öfter bestätigt, die Phasen mit klarem Durchblick kommen häufiger, halten länger an.
Dummerweise bin ich ein sehr ungeduldiger Mensch, was in solchen Situationen echt an der Substanz der Nerven zehrt. Vor allem bei den Menschen, die sich im engsten familiären Umfeld aufhalten
Von jetzt an wird es buchstäblich täglich besser. Ich kann sogar meine alte Brille weiter nutzen, allerdings zunächst nur mit dem rechten Auge. Hier kommt nun vorübergehend eine neue Unannehmlichkeit hinzu. Links geht es ohne, rechts mit Brille besser. Glas ausbauen? Ja, könnte ich machen, aber die nächste OP kommt in einigen Tagen, solange wird es gehen.
Zur Operation des linken Auges, gibt es ergänzend nur wenig zu erzählen. Der Verlauf entsprach dem Lehrbuch, sozusagen völlig entspannt. Die Prozedur beim Eingriff ist ein Spiegelbild der bereits beschriebenen, allerdings sind anschließend keine Beschwerden aufgetreten. Wirklich absolut keine. Die Sicht ist sofort nach dem Entfernen des Verbandes einwandfrei, nach einer Woche erhalte ich auch das offizielle O.K. zum Autofahren. Erst jetzt merke ich, wie mies meine Sicht in den letzten Monaten gewesen sein muss, es ist schon überwältigend!
Ich kann wieder richtig gut sehen!
Vielleicht kann ich mit diesen Berichten ja jemanden beruhigen, dem ähnliches bevorsteht. Immerhin ist die Sehfähigkeit keine Kleinigkeit, wer ist bei Problemen in dem Bereich nicht besorgt? Meine letzte OP ist nun knapp drei Monate her, auch die nachfolgenden Kontrollen waren in Ordnung, ich würde mich wieder so entscheiden.
Falls diese Zeilen jemals jemand liest, der beteiligt war:
Herzlichen Dank!
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Danke für den informativen Beitrag. Es freut mich, dass die Behandlung gut gelaufen ist. Ich muss durch eine Erkrankung meine Augenlinse operieren lassen. Hoffentlich finde ich heute noch einen guten Augenlinsenchirurgen für einen Termin.
Freut mich, dass die Behandlung des Grauen Stars bei dir so gut verlaufen ist. In meiner Familie haben wir alle eher schlechte Augen. Auch meiner Mutter steht demnächst wieder ein Termin beim Augenlinsenchirurgen bevor.