Szenen aus einer stationären Rehabilitation
Oder: Wo Mensch krank hinfährt und irgendwie wiederkehrt.
Ein kleines Vorwort
Ich starte jetzt die Erzählung einer Reihe von Erlebnissen, die ich während meiner Rehabilitationen machen durfte. Inhaltlich kann wohl alles vertreten sein, von medizinisch Ernsthaftem bis zu wirklich Lustigem.
Es wird ein mehrteiliger Artikel werden, eher eine kleine Erzählungsreihe. Zum Einen hat nicht jeder Interesse daran, sich vielleicht stundenlang im Text zu suhlen, zum Anderen will die Story auch erst mal entstehen, deshalb schreibe ich häppchenweise.
Es dürfte auch genügend Blogleser geben, die sich genau gar nicht für das Thema interessieren, verblüffend: i’am not amused! Nun, da muss zwischenzeitlich auch an anderen Themen gearbeitet werden. Egal, ich schreibe jetzt und immer wieder an dieser Reihe weiter, wer Lust hat, liest immer wieder mal mit! OK? Dann machen wir das jetzt so.
Nein, nein! Keine Angst!
Ich habe jetzt nicht die Absicht, hier einen furztrockenen Bericht zur medizinischen Reha abzufassen. Auch nicht dazu, welche Anwendungen von welcher Pille begleitet, zu gelegentlichen Blähungen führen. Außer vielleicht, an einem bestimmten Punkt der Geschichte ist das wichtig, dann eventuell doch.
Aktuell bin ich auch nicht sicher, ob ich verraten werde, warum und vor allem wo ich zur Heilbehandlung gewesen bin. Vielleicht ist es gar nicht möglich, dies zu umgehen, dann wird sich das zu gegebener Zeit zeigen, in Planung ist es jedenfalls gerade nicht. Versucht vielleicht einfach, es selber anhand der Story herauszufinden.
Erfahrungsmäßig liegen zwei Behandlungsaufenthalte an verschieden Standorten in einem Abstand von 16 Jahren hinter mir. In erster Linie wird es um den letzten im Sommer 2019 gehen, bestimmte Vergleiche werden aber höchstwahrscheinlich auch Erlebnisse der ersten Reha einschließen. Da sagt bestimmt jetzt jemand: „Bah, ich war schon 5x weg, was schreibt der Anfänger da?“ Das könnte sein, klar! Darum sage ich: „DANN SCHREIB DOCH SELBER WAS!“ Ist das jetzt geklärt? Gut, dann geht es jetzt los
Ehe man überhaupt fahren darf.
Lasst uns den ärztlichen Kram mit Diagnosen und Anträgen überspringen, das wäre genug Stoff für eine eigene Artikelreihe. Sagen wir mal, der Bescheid der Rentenversicherung ist gerade angekommen und man weiß, wohin es gehen wird. Noch nicht wann, aber der Ort ist wenigstens bekannt. Alles Weitere folgt wohl in einem Schreiben der Klinik. Fünf Wochen hat man mir zunächst bewilligt, der Rest bleibt abzuwarten. Da bin ich vorsichtig mit den Prognosen, bei der ersten Reha 2003 sollten es vier Wochen sein, sechs waren es am Ende.
Den Antrag habe ich irgendwann Ende Januar/Anfang Februar gestellt, es ist nun Anfang März, das ging mal verhältnismäßig schnell. Vielleicht läuft es ja in dem Tempo weiter, ich setze einige Hoffnung in diese Reha, mir geht es eben nicht besonders gut.
Ich kann wählen, ob ich mit der Bahn oder per eigenem Transport zum Ziel komme, mein Gepäck kann per Hermes erledigt werden. Es folgen Telefonate, weiterer Papierkram und ansonsten warten auf Post.
Mittlerweile ist es Ende März, so langsam dürfte mal was kommen. Es muss ja auch entschieden werden, was alles mit muss. Ich mein, im Sommer kann man ja nicht mit den Winterklamotten losziehen.
Da kommt auch schon eine kleine Kuriosität: Wir haben nur einen Briefkastenschlüssel. So ein Ding aus der Reihe „… müssen wir unbedingt nachmachen lassen, aber das hat Zeit, gab ja noch nie Probleme…“
Wie auch immer, an einem Vormittag sehe ich die Post-Zustelldame mit einem Umschlag auf das Haus zukommen, der für unsere Verhältnisse ungewöhnliche Abmessungen hat. Etwa endlich die Nachricht aus der Klinik? Also schnell den Schlüssel schnappen und zum Briefkasten. Wenn da nicht eine kleine Hürde wäre… Der dämliche Schlüssel hängt nicht am Haken, ist weg! Ich weiß aber, dass da was Besonderes im Briefkasten liegt, ich will da dran. Hätte ich die Postbotin doch bloß vor dem Einwurf erwischt.
Jetzt muss man dazu sagen, dass ein 1,90 Meter-Mensch von oben in unseren Kasten bestimmt reinsehen kann. Ich alte Wanderwarze bin aber nur 1, 68 Meter hoch.
Aber Hallo! Einfach mal ein Handyfoto von oben in die Kiste schießen, vielleicht kann man was sehen. Knipps und Schau – Jepp, da ist was Braunes drin. OK, wie komme ich da ran? Ich meine, man ist ja erfinderisch, manchmal genial. Könnt Ihr Euch vorstellen, was man mit so einer Grill- oder Wurstzange aus der Küche alles angeln kann? Nun, Post jedenfalls nicht! Es ist dann am Ende ein Briefkasten ohne Schlüssel, in dem jetzt noch ein Küchenwerkzeug festklemmt. Außerdem muss da alles verschwinden, ehe die Frau vom Einkaufen kommt, ich mach mich doch sonst voll zum Affen! Lange Rede und kurzer Sinn: Nach gründlicherer Suche, habe ich den blöden Schlüssel doch gefunden. Frei verfügbar auf eine Fläche am Wohnzimmerschrank liegt er. Für jeden gut zu entdecken, wenn man denn dort sucht.
Ich mach’s kurz, es ist endlich die Nachricht, dass ich am 28. Mai 2019 die Reha antreten kann. Eine gigantische Ladung Papier findet sich zusätzlich in dem Umschlag. Natürlich wieder etliches, was bitte noch vor der Anreise ausgefüllt und zugesendet werden soll. Darunter selbstverständlich Einiges, was ohnehin schon bei der Rentenversicherung liegen muss. Witzig finde ich die vom behandelnden Arzt auszustellende Mediaktionsliste, die nach Wunsch erst am Tag vor Fahrtantritt ausgestellt wird, aber natürlich mitversendet werden muss. Nun, vielleicht habe ich da auch was falsch verstanden, bin ja kein Doktor, nicht? Zusätzlich empfiehlt man noch, mit dem dortigen Fahrservice telefonisch die Ankunft am Bahnhof abzuklären.
Ich fahre übrigens mit der Bahn, was soll ich mit dem Auto dort? Außerdem haben wir nur einen Wagen, meine Frau kann ja schlecht alle Einkäufe zu Fuß erledigen, während das Auto 200 Kilometer weit weg einfach auf einem Parkplatz steht und den TÜV abfeiert.
Zwei Tage vor dem Start werden meine Koffer von Hermes abgeholt. Das geht routiniert, ich bekomme Quittungen mit allem Möglichen, auch den Nummern zur Sendungsverfolgung. Ein Großteil dessen, was meinen Alltagsbedarf ausmacht, wird nun durch die Lande kutschiert. Lediglich mein Notebook, die wichtigesten Medikamente und natürlich den Papierkram, will ich selber am Mann haben. Irgendwie fühle ich mich ab jetzt nicht mehr Zuhause hier, aber auch noch nicht als Rehapatient. Immer diese scheiß Warterei auf Zielereignisse.
Was soll’s, der nächste Tag ist erreicht, man vertreibt sich hier und da die Zeit, mittlerweile ist es 14 Uhr. Heute soll(t)en bis 15 Uhr meine Sachen in der Klinik eingetroffen sein, schauen wir also mal in die Sendungsverfolgung. OK, ich habe 3 Nummern, aber nur zwei Koffer? Ah, verstehe! Ein Sendungsauftrag, der aus zwei Artikeln besteht, kann ich nachvollziehen. Egal was ich eintippe, einzige Meldung „In Zustellung“. Na gut, so schnell sind die Systeme nicht, vielleicht später. Es wird 16 und auch 17 Uhr, immer noch der gleiche Status. Vielleicht wäre ich etwas ruhiger, wenn ich nicht schon entsprechende Erfahrungen mit diversen Logistikservices gemacht hätte. Neue Idee! In der Klinik anrufen, vielleicht wissen die ja was. Immerhin kann ich nicht auf mein Gepäck verzichten. Die Dame am Telefon ist sehr nett und wirklich hilfsbereit, von meinen Koffern weiß sie allerdings auch nichts. Irgendwie ist der komplette Hermesmann verschwunden. Einige Gepäckstücke anderer Patienten sind aber wohl gekommen, sehr seltsam.
Ich phone sicherheitshalber die Hermes-Hotline an, ab sofort heißen die beim mir nur noch „Abwimmelstation mit grundlegenden Sprachkenntnissen“, vergiss es! Darum war ich übrigens so positiv überrascht, als meine aktuelle Begegnung mit Hermes, so reibungslos verlief. Nach der Rückreise aus der ersten Reha 2003 hatte es dieser Service nämlich fertiggebracht, mich fast eine Woche auf meine Sachen warten zu lassen.
Los geht’s!
Bis in die Nacht hinein, haben wir noch eine Notfallgepäcklösung konstruiert. Ein Trolley-Koffer zusätzlich hier, eine Reisetasche dort. Suchen, was noch an brauchbarer Kleidung im Schrank ist, falls die Koffer über längere Zeit nicht auftauchen. Viel ist es nicht, meine beste Auswahl auf keinen Fall. Ich bin obendrein nicht so der Modetyp, Hauptsache sauber und nicht nackt, reicht mir völlig. Wenn so jemand schon merkt, dass es einen Grund hatte, diese Plörren nicht einzupacken – nun ja. Ziel: Wenigstens nichts nehmen, an dem noch Farbe von der Renovierung anno 1999 zu finden ist. Warum das überhaupt noch im Schrank ist? Hallo? Das ist doch noch gut und wenn wir wieder renovieren? Welche anderen Sachen, die auf den gleichen Einsatz warten und was soll nicht mehr passen? Ich verstehe schon wieder die Fragen nicht.
Ich bin obendrein nervös und schlafe dementsprechend schlecht und wenig, um 4:30 Uhr, klingelt der Wecker. Verwöhnen ist nicht, 4 Stunden Schlaf müssen genügen, nur kein Luxus!
Zugabfahrt hier ist um 6:33 Uhr, bis Mannheim fährt meine Frau mit, so als moralischer Beistand und weil sie sich da ohnehin mal in Ruhe umsehen will. Ich muss dort umsteigen. Zufällig muss Tochter S. um die gleiche Zeit in Richtung Job vom hiesigen Bahnhof starten, es wird also ein Abschied in Etappen. Der Rest der Familie hat das alles gestern schon erledigt.
Ich hasse die Abschiede an der Bahnsteigkante! Viel erzählt wird nicht mehr in den letzten Minuten vor Zugankunft, jeder hängt seinen Gedanken nach, auch der Frage, was nun kommt. Ich steige in den Zug, finde sofort einen Sitzplatz und schaue raus. Frau lächelt, ich lächle, wir winken und der Zug fährt los. Was bleibt, ist ein Kloß im Hals, feuchte Augen und ein flaues Gefühl in der Magengegend.
Kaffee wäre jetzt nett. Aus toilettentechnischen Gründen habe ich mich bisher damit zurückgehalten. Ich frage den Bahnmenschen, der sich gerade für meine Fahrkarte interessiert, nach einer Quelle für so ein Gebräu und erfahre, dass der Wagenteil mit Bordbistro aktuell noch nicht am Zug hängt. Der kommt mit ein wenig Glück hinter Irgendwo. Toll!
Also fahren, lesen, Musik, Fenster, grübeln und alles andere, mit man sich sonst die Fahrzeit verkürzen kann. Schlafen kann ich auch nicht, das klappt im Zug bei mir einfach nie. Eine Weile ist es noch ganz interessant die anderen Fahrgäste zu begutachten, ich bin aber innerlich viel zu angespannt, um da wirklich Freude dran zu haben.
Eine Station nach der anderen wird auf dem Informatiosbildschirm abgespult, ich entdecke endlich mein Ziel. Passenderweise kommt jetzt der Service mit dem Kaffeewagen. Ne, nun will ich auch nicht mehr.
Mit etwas Gewalt und Schwung die Sachen zusammensuchen, bloß nichts vergessen. Es ist erstaunlich, wie steif die Gelenke sich nach 4,5 Stunden anfühlen, da wird so ein kleiner Rollkoffer in zwei Meter Höhe zur Herausforderung. Der Zug hält, ich quäle mich beladen wie ein Lastentier aus dem Zug. Wie macht der Esel? IA?
Der Bahnhof tut so, als wäre er ein ganz Großer, ich merke allerdings schnell, dass diese Zeit wohl schon länger vorüber ist. Wo aber nun lang? Irgendwo soll mein Klinik-Shuttle warten, blöderweise kann ja niemand an zwei Stellen zur gleichen Zeit sein, also suchen. Klar, vor ein paar Wochen hat mir die Dame am Telefon Hinweise gegeben, wo ich denn den Fahrer finde, ich habe das sogar notiert. Aber wisst Ihr, was einem das nützt, wenn dann vor Ort ist, wo man die erwähnten Wegpunkte nicht kennt? Genau! Nichts.
Ach was, da sind noch ein paar Frauen mit mir ausgestiegen, einfach mal unauffällig folgen. Mit zwei Trolleys und einem Rucksack habe ich aber keine Chance, die Mädels sind schon außer Sichtweite, als ich noch überlege, wie ich unfallfrei die Treppe herunter komme. Schnell merke ich, dass ich unter Garantie in die verkehrte Richtung unterwegs bin, da kann niemals ein Taxi oder etwas Ähnliches stehen. Also lege ich eine 180° Kehre hin, da irgendwo muss ja nun etwas zu sehen sein. Ja! Da steht ein Taxi, an dem eine andere Dame ähnlich belämmert wirkt, wie ich mich fühle! Daneben ein Mann, der ruft: „Patient zum Transport?“ Gewonnen, Etappe eins ist geschafft, es geht zur Klinik!
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