9-Euro-Ticket: Nur 660 Kilometer! (II.)

9-euro-du-hbf-desasterkreis.deFahre doch mit Bus & Bahn, nie war es günstiger

(Das ist ein mehrteiliger Artikel! Hier geht es zu Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4  und einem abschließenden Kommentar ;-) )

So, wir sind also in Duisburg angekommen!

Es stellt sich schon ein merkwürdig vertrautes Gefühl ein, beim Betreten des Portsmouthsplatzes. Wir bleiben wirklich eine Weile stehen und lassen ein gewisses Gefühl von Heimat auf uns wirken.

Die kleine Verklärtheit ist aber nicht von Dauer, ein Blick in die Runde auf bestimmte Szenen und Personen offenbart recht schnell, was zum Teil ein Grund war, damals nach Fürth zu ziehen. Fairerweise muss ich allerdings zugeben, dass es in Mannheim und anderen Ecken in der neuen Wahlheimat nicht anders aussieht, nur dass es da nicht Alltag für mich ist.

Egal, die Freude mal wieder hier zu sein überwiegt und wir laufen eine Weile die Einkaufsstraße hoch.

Die Gerüche und auch optischen Reize der verschiedenen Gastronomiebetriebe erinnern uns recht schnell daran, dass die letzte Mahlzeit rund 23 Stunden her ist. Kaffee und ein paar Kalorien, die sind jetzt gefragt :-)

Paprica DuisburgNicht direkt nur ein Snack

Weil es nett wirkt und für uns neu ist, entscheiden wir, den leiblichen Bedürfnissen im Paprica auf der Königstraße nachzugehen, was sich als eine gute Idee herausstellt.

Am Morgen habe ich mich mit dem Kaffee etwas zurückgehalten, auf Reisen bin ich da aus toilettären Gründen immer vorsichtig.

Da der innere Akku aber langsam in den roten Bereich kommt, muss zuallererst an dieser Stelle die größte Not gelindert werden.

Ein Tipp!

Studiert beim Genießen einer Tasse Kaffee an solchen Orten NIE die dort liegende Speisekarte! Das wird teuer und sorgt dafür, dass man länger im Restaurant verbleibt. Im Gegenzug ist aber später der Geldbeutel leichter, also gleicht sich das wieder aus :mrgreen:

Essen im Paprica in DuisburgDie Wahl fällt bei der Frau auf ein Zwiebelschnitzel, ich entscheide mich für das Schnitzel-Hawaii, dazu Pommer bzw. geröstete Kartoffelecken.

Ah ja, noch ein Tipp!

Wenn die Bedienung sagt: „Vorsicht, die Pfanne ist heiß!“, dann verinnerlicht das und denkt an diese Worte :!:

Erstens brennen dann die Finger später nicht so und Ehefrau muss nicht die Augen verdrehen!

Fazit: Der Service ist schnell, nett und wirklich auf Draht, das Essen super, herzlichen Dank :-)

Wir müssen weiter

Es hilft aber alles nichts, da wir nicht mehr in Duisburg wohnen, ist unser Ziel ja noch nicht erreicht. Jedenfalls dann nicht, wenn wir Wert auf eine Nacht in einer Behausung mit Bett legen.

Der Plan sieht vor, mit der Straßenbahnlinie 903 bis Dinslaken Bahnhof zu fahren, uns dort mit meinem Vater zu treffen und mit ihm gemeinsam, per Bus, zu unserem finalen Ziel Voerde am Niederrhein zu gelangen.

Ergänzend muss ich sagen, dass ich früher immer mit dem Bus Linie 918 gefahren bin, die neueren Verbindungen aber nicht kenne. Hier will ich mal lieber auf die aktuellen Kenntnisse eben meines Vaters vertrauen.

Ich kann hier schon vorwegnehmen, dass ich, Dank der Deutschen Bahn, bis heute keinen Bus von innen gesehen habe, aber das erklärt sich im weiteren Verlauf dieses Artikels.

Zur Straßen- oder U-BahnAb zur Straßenbahn

Weil wir gerade eh in der Nähe sind, steuern wir die Haltestelle „König-Heinrich-Platz“ an.

Also führt der Weg unter die Erde, weil das ÖPNV-System an dieser Stelle nicht unter freiem Himmel arbeitet.

Ich bin auf dem Weg zu den Bahnen da immer etwas hilflos, mir kommt das ganze Gewirr von Treppen und Gängen dort einfach kryptisch vor.

Immerhin kann man mit etwas nachdenken und lesen seine Richtung finden, wir müssen halt dorthin, wo die 903 Richtung Dinslaken zu finden ist. Ich frage mich allerdings, wie jemand überhaupt von dieser Bahn Kenntnis haben soll. Wer nicht weiß, dass es sie gibt, hat ja keine Ahnung, dass er sie suchen muss.

90X SchlundÜberraschung

Gefunden, „durch diese hohle Gasse, muss sie kommen!“, ist das Erste, was mir einfällt, als ich in den dunklen Schlund des Tunnels schaue, der das Gleis zum Bahnsteig führt. Ok, ich muss zugeben, das Bildnis habe ich schon vor 20 Jahren benutzt …

Das Foto ist allerdings vom Bahnsteig der 901, habe vergessen, bei der 903 eines zu schießen.

Aber, hey, halt, warte! Was steht da auf der Infotafel per Laufschrift? :shock:

„903 … Schienenersatzverkehr … Meiderich … Umsteigen …“

Fuck! Sollen wir uns das antun? Das würde bedeuten, wir müssen bis Meiderich, da raus, in einen Bus bis Hamborn Rathaus und anschließend wieder in die 903, die dann (hoffentlich) bis Dinslaken Bahnhof fährt.

Grob überschlagen sind das, mit Sucherei nach den Anschlüssen und der Wartezeit, wieder mindestens 1 – 2 Stunden. Obendrein 2 Mal zusätzlich umsteigen. Nein, wir entschließen uns dagegen und gehen zurück zum Hauptbahnhof.

An dieser Stelle begehen wir gerade vielleicht Fehler Nummer 2 an diesem Tag, siehe Teil 1 des Berichtes hier.

Dann doch lieber einen Zug bis Dinslaken oder vielleicht sogar Voerde. Der App nach fährt neben dem RE 5 auch der RE 19 bis Wesel bzw. noch weiter, auf jeden Fall halten beide eben in Dinslaken und notfalls natürlich Voerde.

Lasset die Spiele beginnen

Ich kann ab jetzt übrigens wieder nur noch die ursprünglichen Abfahrtszeiten der Züge nennen. Alles andere lässt sich nicht mehr nachhalten oder begreifen, ich vermute, selbst bei der DB in den Logbüchern kann zu dem ganzen Kuddelmuddel nur noch die Bemerkung „Reden wir nicht darüber“ ergänzt werden.

Der RE 5Es sollen werden der RE 19 um 17:44 Uhr auf Gleis 9 oder notfalls der RE 5 auf Gleis 11 um 18:20 Uhr.

Der RE 5 wäre irgendwie Ironie, aus einem der Vorgänger sind wir ja ausgestiegen und könnten schon lange, samt meinem Vater, in Voerde sein. Jedenfalls mindestens gechillt mit ihm auf dem Wege dorthin. Wir haben uns 9 Jahre lang nicht gesehen, Gesprächsstoff gibt es genug.

Da 17:44 Uhr knapp noch machbar für uns ist, gehen wir zügig zum Gleis 9. Kaum oben angekommen, steht auf der Anzeige über dem Bahnsteig aber auch schon „+15 Minuten„.

Ok, das nehmen wir in Kauf, immerhin können wir so noch kurz an der E-Zigarette nuckeln und uns eine Weile setzen.

An dieser Stelle mache ich es mal kurz. Aus „+15“ werden „+25“ und daraus schließlich „+45“ Minuten. Vielleicht auch noch mit „+34“ dazwischen, ich habe das geistig nur noch nebenbei registriert, die Anzeige nehme ich nur noch als allgemeinen Hinweis für „viel zu viel Verspätung“ zur Kenntnis.

Jetzt könnte man ja meinen, wir sollten besser den RE 5 nehmen. Schließlich ist der ja in dieser Zeit auch fällig, aber Pustekuchen: auf Gleis 11 das gleiche Spiel. Wundern tut’s mich aber nicht, beide Züge teilen sich die gleichen Schienen und wo der eine nicht durchkommt, hat auch der andere keine Chance.

Frust

Mittlerweile sind wir rund eine Stunde auf dem Bahnsteig und mit einigen der Umstehenden ins Gespräch gekommen. Von einem Bundeswehrsoldaten auf dem Weg ins Wochenende erfahren wir, dass das seit Monaten so geht. „Nix 9-Euro-Ticket“ sagt er, „das liegt an der Bahn und geht seit Monaten so, alles Ausreden„.

Der Bahnsteig wird immer voller, immerhin ist ja jetzt auch der RE 5 und eben der RE 19 zum 2. Mal fällig, nur die Leute, die sind eben alle noch da. Nur eben in der Anzahl Menschen, die eben sonst auf 3 Züge verteilt wären.

Über die Bahnhofsdurchsage erfahren wir etwas von einer ausgefallenen Weiche, irgendeinem Stellwerkproblem und später ist auch noch ein Zug in Reparatur. Ich weiß nicht mehr, was für welchen Zug gilt, ich habe einfach nur die Schnauze voll.

Das liegt nicht am 9-Euro-Ticket!

Das Ticket sorgt für mehr Fahrgäste, klar, aber wenn die sich nicht zügeweise addieren müssten, wäre es auch nicht so voll!

Ich habe Ähnliches an jedem Bahnhof zumindest den Durchsagen entnehmen können. Ernsthaft bin ich ziemlich sicher, dass an jedem Bahnhof mit Umstieg bisher die Durchsage „Zug XX fällt aus!“ zu hören war.

Sorry, aber da ist das 9-Euro-Ticket nicht zu billig, mehr ist so eine Scheiße nicht wert!

Der Bahnsteig füllt sich weiter, immer mehr Menschen werde auch unsicher, wenn nicht sogar panisch. Eine ältere Dame gesellt sich mit ihrer Familie zu uns und bittet um Informationen.

Sie ist mit der DB-App nicht vertraut, findet keinen Ansprechpartner der Bahn und kennt sich in Duisburg überhaupt nicht aus, sie fühlt sich verloren und sagt das auch.

Wir nehmen sie sozusagen unter unsere Fittiche, was auch nicht viel bringt, die Dame aber zumindest etwas beruhigt.

König Pilsener Schriftzug Du-HbfLethargie setzt ein

Mittlerweile denke ich ernsthaft darüber nach, in eine Bahnhofskneipe zu gehen und mich zu besaufen. Bis ich voll bin, sind vielleicht die Züge leer …

Was, wenn nie wieder ein Zug kommt?

Muss ich jetzt mein Ende auf Gleis 9 abwarten?

Wird es gar Gleis 9 3/4?

Ich weiß es nicht!

Ich rufe meinen Vater an und teile ihm mit, dass wir später kommen, weil bei der DB die Züge alle sind. Ok, er ist bereits in Dinslaken und wartet auf uns, was soll er auch machen.

Es wird sportlich! Es wird lächerlich!

Action!

Ein Mitglied aus unserem Selbsthilfeteam hat neue Infos aus der App, der Zug hat eine Gleisänderung, wir müssen auf Gleis 6!

ES SETZT EINE MASSENVÖLKERWANDERUNG EIN!

Unglaublich, wirklich unglaublich, wie viele Menschen auf die Treppe in den Tunnel zu den Bahnsteigen passen. Ich muss zugeben, mir ist mulmig. Ein Auge auf dem Gepäck, das andere Richtung Ehefrau geht es ab zu Gleis 6. Jetzt nur nicht die Gattin aus dem Blickfeld verlieren! Es besteht zeitweise echt die Gefahr, dass wir uns nicht wiederfinden würden.

Jo, und nun? Wir stehen auf Gleis 6, nur die Infotafel, die verrät uns: NICHTS!

Der RE 19 steht nach wie vor an Gleis 9 angeschlagen (kann die Infotafel eigentlich 4-stellige Verspätungen anzeigen?), ich checke die App und ja, da steht die Änderung auch wirklich noch drin.

10, 15, 20 Minuten, plötzlich setzten sich einige der Leute in Bewegung, von denen ich weiß, dass sie auch den RE 19 nehmen müssen. Ich schaue in die App, jepp, da steht nichts mehr von Gleis 6, also wieder rüber zur 9. Dieses Mal etwas weniger hektisch, es hat halt noch nicht jeder mitbekommen.

Während wir also wieder oben auf dem ursprünglichen Gleis 9 ankommen, sehe ich auf Gleis 10 ganz still und heimlich den RE 5 in Richtung Voerde abfahren! :shock:

Bei dem ganzen Hin- und Her ist der Zug irgendwann eingefahren und nun wieder weg … Klar, bei den Menschenmassen, die auch dort bis eben standen, kann man keinen Zug mehr identifizieren, wenn man nicht direkt auf dem zugehörigen Bahnsteig steht.

Action Nr. 2

Ich traue nun zum xten Mal meinen Augen nicht, der RE 19 steht nun auch an Gleis 10 auf der Anzeigetafel! Ein Zug, 2 Gleise!

Identische Angaben auf Gleis 9 UND 10! Ich teile dies den Umstehenden mit, Ratlosigkeit macht sich breit, keiner hat mehr Lust, sich zu bewegen.

Einer aus der Truppe versucht die DB-Hotline zu kontaktieren, andere machen Faxen in Richtung Überwachungskamera, vielleicht kann ja das Sicherheitsteam wenigesten Bier oder Kaffee bringen ;-)

Finale!

Plötzlich und unerwartet eine Durchsage: „Gleisänderung! Der RE 19 fährt in wenigen Minuten auf Gleis 11 ein!

Das kann nicht wahr sein! Echt nicht!

Es setzt die bekannte Völkerwanderung ein, alles rüber auf Gleis 11, und da die Auskunft nun sozusagen offiziell ist und es wirklich auch der Letzte mitbekommen hat, ist es auch genau so heftig, wie man sich das vorstellen kann.

Der Zug kommt und alle sollen, wollen und müssen, hinein, die Frau und ich mittendrin. Selbst wenn wir wollten, wir könnten die Mitfahrt gar nicht verweigern, wir stecken im Strom der Lava!

Pressen, drücken, schubsen und zerren – das habe ich so noch nie erlebt! Aber: Wir sind im Zug!

Irgendwie schaffe ich es, meinen Vater anzurufen und ihm mitzuteilen, dass wir direkt nach Voerde fahren. Er stimmt zu, dass dies mittlerweile die bessere Idee ist und will in Dinslaken in unserem Zug zusteigen. Zusteigen? Na, wenn das mal klappt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich meine alten Herren oben grinsend auf dem Dach mitfahren, Bilder aus indischen Zügen mischen sich in meine Gedanken.

Voerde BahnhofIch weiß nicht, wie er es geschafft hat, aber er hat es hinbekommen!

Es ist 21:30 Uhr, wir finden meinen Vater tatsächlich auf dem Bahnsteig in Voerde und sind ANGEKOMMEN!

Nun noch 20 Minuten Fußmarsch, dann ist Ruhe. Hätten wir die Pause in Duisburg nicht eingelegt, könnten wir seit ca. 17 Uhr hier sein …

Aber … Hätte hätte, Fahrradkette!

 


(Das ist ein mehrteiliger Artikel! Hier geht es zu Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4  und einem abschließenden Kommentar ;-) )

 

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